Deutsche Polizeigewerkschaft zieht Bilanz und sieht Licht und Schatten in der Regierungspolitik Baden-Württemberg
Stuttgart – Zu Beginn des Jahres zieht die Deutsche Polizeigewerkschaft Baden-Württemberg (DPolG), die mit 17.000 Mitglieder die mit Abstand größte Polizeigewerkschaft im Lande ist, eine überwiegend positive Bilanz zur Politik im Land im vergangenen Jahr 2017.
Ralf Kusterer, Landesvorsitzender der DPolG, machte heute in Stuttgart im Zusammenhang mit den gewerkschafts-politischen Themen deutlich, dass sich die politische Zusammenarbeit mit den Parteien im Landtag und insbesondere den Regierungsparteien seit dem Regierungswechsel deutlich verbessert habe und man auf einem guten Weg ist. Kusterer:“ Wir sind in einem ständigen Dialog und ich darf feststellen, dass man auf unseren Rat hört. Das galt schon immer für die CDU und den amtierenden Innenminister Strobl aber deutlich wahrnehmbar jetzt auch für die Grünen. Und ich glaube das ist auch gut so, wenn es um die Themen der Innenpolitik, die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger, aber auch den Beschäftigten in der Polizei und im öffentlichen Dienst geht.“
Kusterer benennt viele Punkte die man gemeinsam mit der Politik auf den Weg und teilweise bereits umgesetzt hat. „Wir sind nicht die ewigen Nörgler, wer Gutes tut darf dafür auch mal gelobt werden. Und es gibt einige Dinge – da wollen wir auch gerne Lob aussprechen.“
1.) Unsere jüngsten Äußerungen zum Bildungsnotstand in der Polizei haben wie ein Ruck gewirkt. Seit Jahren wurden jetzt erstmals wichtige Entscheidungen für die Bildungsstandorte und die Polizeiausbildung getroffen. Zwar gibt es hier noch viel zu tun aber die Richtung stimmt. Nach der Zerschlagung der Bildungsstandorte durch die Vorgängerregierung und den Verlust der Zukunftsfähigkeit in der Aus- und Fortbildung der Polizei dürfen wir einen Wandel und einen richtigen Kurswechsel verzeichnen.
2.) Die Polizeireform 2014 war einer der größten sicherheitspolitischen Fehler in unserem Land. Mit den ersten zaghaften Veränderungen nach einer teilweise katastrophalen Evaluation die lediglich aus parteipolitische Erwägungen auch noch einige wenige positive Aspekte zu benennen hatte, hat jetzt die Reform der Reform Fahrt aufgenommen. Damit werden einige der gröbsten Fehler beseitigt.
3.) Mit großer Kraft hat man an den Ausrüstungsdefiziten gearbeitet. Auch wenn wir hier noch lange nicht dort sind, wo wir es gerne möchten, man sieht die Bemühungen. Manch einer mag es nicht verstehen, wenn wir immer wieder auf die Defizite hinweisen und damit unseren Kolleginnen und Kollegen eine Stimme verleihen. Aber die Polizei fährt in manchen Bereichen mit der Dampflok und die Verbrecher mit dem ICE. Auch wenn wir manche Steigung sicher nehmen, gibt es viele Strecken in denen wir nicht hinterher kommen. Das ist beispielsweise im gesamten digitalen Bereich so.
4.) Im Jahr 2017 wurden einige wichtige Rechtsgrundlagen geschaffen. Das versetzt die Polizei in die Lage Verbrechen besser vorzubeugen und besser zu verfolgen. Gerade in gesamten Terrorismussegment unabdingbar. Das Polizeigesetz ist in vielen Bereichen bundesweit beispielslos und kann durchaus Antrieb sein, in anderen Bundesländern nachzuziehen.
5.) Mit der Abkehr von der Kennzeichnungspflicht haben Grüne und CDU in erster Linie ihr Vertrauen gegenüber der Polizei deutlich gemacht und grenzen sich gegenüber einigen anderen Bundesländern ab. Die Polizei in Baden-Württemberg stellt dabei täglich unter Beweis, dass sich diese Vertrauen mit unglaublich hohem Einsatzwillen und Leistungsbereitschaft – oft weit über der Belastungsgrenze – verdient.
6.) Als kleine Maßnahme mit großer Wirkung kann man auch die Freifahrt in Uniform in allen Zügen der Deutschen Bahn bezeichnen. Damit sorgen viele Polizeibeamte bereits auf dem Weg von und zum Dienst für Sicherheit in unseren Zügen.
7.) Die Entscheidung der Regierung min. 1500 zusätzliche (zu den Altersabgängen) Beschäftigte in der Polizei einzustellen, davon 900 Polizeibeamte und 600 Tarifbeschäftigte und Verwaltungsbeamte basiert auf der Forderung der DPolG und kann nur ausdrücklich begrüßt werden. Das ist mit Blick auf die Vergangenheit ohne Vergleich, was hier Innenminister Strobl auf den Weg gebracht hat. Diese Anstrengungen müssen in den kommenden Jahren dringend fortgeführt werden. Die Forderungen der DPolG um eine weitere Erhöhung des Personalbestandes von 2000 Polizeibeamte ist bereits in der politischen Diskussion.
Wo Licht ist da ist auch Schatten. In der Zukunft gilt es für einige Themen, die wir teilweise seit Jahren auf unserer Agenda haben, mit der Politik gemeinsam Lösungen zu finden. Dafür stehen wir in einem engen Dialog mit den Parteien im Landtag. Hierzu benennt Kusterer weitere Beispiele.
1.) An einer der ersten Stelle steht die Gesundheitsvorsorge. Im Jahr 2013 wurde eine Kürzung der sogenannten Beihilfe von 70 bzw. 80 auf 50 Prozent vorgenommen. Besonders betroffen sind dabei die Kinder und Ehrfrauen der Beamten. Kein anderes Bundesland hat diese Regelung und die Beamte in Baden-Württemberg haben das wahrlich nicht verdient. Wer tagtäglich den Kopf für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger hinhält, der hat für sich und seine Familie die beste Gesundheitsvorsorge verdient die es geben kann.
2.) Ein Großteil der Polizei arbeitet zu Zeiten an denen andere Menschen Freizeit haben. Die Art der Arbeit die in diesen Zeiten geleistet wird verdient mehr als die bisherigen Zulagen von 2 bis 3 Euro. Gerecht wäre sicher mindestens eine Verdoppelung. Manche Dinge kann man ja auch stufenweise erreichen – warum nicht auch hier mal ein erster Schritt.
3.) Dabei ist es ein Anliegen der DPolG, dass auch Beamte in Ausbildung Zulagen erhalten wie sie an ausgebildete Beamte bezahlt werden. Es ist unredlich, wie es die Vorgängerregierung gemacht hat, die Zeiten in denen Ausbildungsbeamte im regulären Dienst arbeiten auf ein Jahr auszuweiten, ihnen aber nicht alle vergleichbaren Zulagen zu bezahlen.
4.) Die Wochenarbeitszeit der Beamten in Baden-Württemberg liegt seit Jahren bei 41 Stunden. Sie liegt damit 2 Stunden über denen von Tarifbeschäftigten und bis zu 6 Stunden über der Wochenarbeitszeit von Beschäftigten in der Wirtschaft. Es wird Zeit, dass man diese Wochenarbeitszeit auf den Prüfstand stellt, anderen Bundesländern folgt und mindestens auf 39 Stunden reduziert.
5.) Ein Teil der Polizei ist auf Abruf bereit oder verrichtet über einen längeren Zeitraum die Arbeit außerhalb der Wohnortnähe und der Möglichkeit nach Dienst die Freizeit bei Familie und Freunden zu verbringen. Kein Mensch würde länger auf einer Bohrinsel arbeiten, wenn er für die Arbeitszeit und insbesondere den Verlust an Freizeitqualität (Familie/Freunde) keinen Ausgleich bekommen würde. Es wird dringend Zeit, dass wir gesetzliche Regelungen bekommen, die eine Arbeitsaufnahme auf Zuruf oder aber Arbeitsbedingungen mit einer deutliche Einschränkung der Qualität an Freizeit und mentaler Regeneration ausgleichen.
6.) Im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, dass man die Attraktivität der Polizei erhöhen möchte und verlässliche Karriereplanungen schaffen möchte. Hierzu sollen deutlich verbesserte und verlässlichere Entwicklungsperspektiven geschaffen werden. Spürbare Strukturverbesserungen sollen im Personalbereich umsetzt werden. Dazu soll eine Kommission unter Federführung des Innenministeriums einrichten werden, die sich mit der weiteren Ausgestaltung der laufbahnrechtlichen Rahmenbedingungen beschäftigen wird. Dazu ist jetzt der richtige Zeitpunkt. Steigende Einstellungszahlen und tausende Beamte die in eine höhere Laufbahn aufsteigen möchten sind ein Grund dafür. Die DPolG tritt weiterhin für eine eigenständige Besoldungs- und Laufbahnordnung ein, die den Besonderheiten der Polizei gerecht wird. Überdies sieht die DPolG darin auch eine Möglichkeit eine in Planung befindliche Dienstpostenbewertung mit zu erwartenden massiven Verschlechterungen für die praktische Polizeiarbeit wie auch die Zukunftsplanungen der Polizeibeamten entbehrlich zu machen.
7.) Die Gewinnung von gutem Nachwuchs und ausreichendem Personal ist eine zentrale Herausforderung. Ausgebildete Polizeibeschäftigte aus anderen Bundesländern können bislang nur mit einem Tauschpartner in Baden-Württemberg eingestellt werden. Das muss sich ändern. Von den aktuell mehr als 450 unbesetzten Stellenanteilen könnten mit Sicherheit mehr als 50 sofort besetzt werden, wenn man die Bindung an Tauschpartner aufgibt. Dieses System verhindert einen offenen Wettbewerb wie er durch die Föderalismusreform in Gang gesetzt wurde. Warum soll ein gut ausgebildeter Polizeibeamter aus Sachsen-Anhalt oder Schleswig-Holstein, der vielleicht familiäre Beziehungen in unser Bundesland hat, nicht bei uns arbeiten. Auch die Übernahme von Zeit- oder Berufssoldaten der Bundeswehr mit speziellen Fähigkeiten sollte nach Auffassung von Kusterer näher geprüft werden. In einigen Klassen gibt es längst gesonderte Einstellungsmöglichkeiten für Feldjäger und Spezialisten denen Vorzeiten angerechnet und ggf. auf die Ausbildungszeiten angerechnet werden. Man denke dabei aber auch an Spezialisten wie beispielsweise im Sprengstoffbereich in denen man direkte Einstiegs- und Zukunftsperspektiven bieten könne.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft hat unmittelbar nach Jahresbeginn zahlreiche Gespräch geplant, um zentrale Fragen mit den Verantwortlichen in der Politik zu erörtern und auf den Weg zu bringen. Dazu gehören wichtige sicherheitspolitische Weichenstellungen und Fragen der Sicherheitsarchitektur. Dabei geht es ausschließlich um das Ziel die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu verbessern. Hier gibt es nach Auffassung von Ralf Kusterer noch Luft nach oben, beispielsweise durch vermehrte Sicherheitspartnerschaften. Kusterer:“ Viele Bürgerinnen und Bürger haben das Gefühl, dass mit der Polizeireform 2014 sich die Sicherheit verschlechtert hat uns sie ihre Polizei nur selten sehen. Ich kann das sehr gut verstehen. Hier bedarf es nicht nur einer aktiven Politik aus Stuttgart sondern auch einem Miteinander von Kommunalpolitik und Sicherheitsbehörden. Hier sehe ich deutlich Luft nach oben.“