Zu Beginn seines Statements vor den versammelten Abgeordneten der CDU-Landtagsfraktion bedankte sich der DPolG-Landesvorsitzende, Joachim Lautensack, für die Einladung, die bisherige Zusammenarbeit und für die Gelegenheit in diesem Kreis auf einige ausgewählte Problemstellungen bei der Polizei und der Inneren Sicherheit hinzuweisen.
Polizeistrukturreform
In vielen grundsätzlichen Einschätzungen liegen die Argumente und Positionen der DPolG und der CDU sehr nahe beieinander, sagte Lautensack und betonte darüber hinaus:
„Diese Polizeireform war – Reformbedarf hin oder her – definitiv politisch veranlasst. Von wegen „von der Polizei für die Polizei“. Alle gewerkschaftlichen Argumente, Positionen, alle Stellungnahmen und Kritikvorträge blieben völlig unbeachtet oder wurden „als substanzlos“ ohne Diskussion oder fachlichen Austausch einfach nur vom Tisch gewischt. So viel zum Thema „Politik des Gehörtwerdens“ oder „Politik auf Augenhöhe“.
Die Polizeireform war und ist – angesichts der bislang anerkannten Leistungsfähigkeit der Polizei vor der Reform – absolut überdimensioniert und bringt Verwerfungen mit sich, die die Polizei in ihrer Leistungsfähigkeit noch viele Jahre zurückwirft. Die Polizei ringt nach zwei Jahren Planungszeit und über einem Jahr Realbetrieb immer noch um ganz einfache Normalität.
Es sind derzeit nahezu ausschließlich die wenigen Reformgewinner, die diese Reform medial über den grünen Klee loben. Eine Mitarbeiterbefragung würde ein völlig anderes Bild zeichnen, aber das scheuen die Projektverantwortlichen.“
Wohnungseinbrüche und Polizeireform
Wir können uns trefflich darüber streiten, sagte Lautensack, ob die gigantische Steigerung der Fälle der Wohnungseinbruchskriminalität in den letzten beiden Jahren zusammen um über 50% ursächlich der Polizeistrukturreform anzulasten ist. Klar ist aber auch: Die Polizeireform konnte auch diese Entwicklung nicht zeitnah erkennen und ihr wirkungsvoll entgegenwirken. Die zusätzlichen „Häuptlinge“, die zu „Indianern“ erklärt wurden, hatten wohl anderes zu tun.
Auch in Sachen „Zerschlagung der Bereitschaftspolizei“ ist jetzt schon klar, dass diese Trennung schon aus Kapazitätsgründen wegen höherer Einstellungszahlen falsch war. Leider hört man aktuell auch schon wieder Gerüchte über die Verkürzung der Ausbildungszeit bei der Polizei, was völlig fatal und aberwitzig wäre.
Nicht sehr viel Weitblick hat das Innenministerium auch bezüglich der Gründung einer neuen Landesoberbehörde IT Baden-Württemberg mit der Kurzbezeichnung BITBW an den Tag gelegt, denn die Auswirkungen der Neuordnung der Informationstechnik werden insbesondere das im Zuge der Polizeireform neugebildete PTLS Pol erheblich tangieren und verändern.
Es blieb leider nicht genügend Zeit, um ausführlicher auf weitere reformbedingte Unzulänglichkeiten einzugehen.
Lautensacks Fazit
Diese Polizeireform hat sich im direkten Vergleich zwischen Vor- und Nachteilen nicht gelohnt. Gleichwohl lassen sich die meisten gesetzlichen Grundsatzentscheidungen nicht mehr rückgängig machen, auch nicht nach einem Regierungswechsel. Es bleibt allerdings Raum für Korrekturen, z.B. bei der Bereitschaftspolizei oder beim Zuschnitt einzelner Polizeipräsidien und/oder Einrichtungen. Für den Fall der Fälle steht ihnen die Deutsche Polizeigewerkschaft sehr gerne für beratende Zuarbeit zur Verfügung.
„Gewalt gegen Polizeibeamte stoppen“ vs Kennzeichnungspflicht von Polizeibeamten bei geschlossenen Einsätzen
Fast 2.000 Einsatzkräfte waren am vergangenen Wochenende für die Highrisk-Spiele der Fußball-Bundesliga in und um baden-württembergische Stadien eingesetzt. In Worten: zweitausend!!! Am Wochenende davor kam es bekanntlich zu unglaublichen Ausschreitungen beim Spiel des VfB Stuttgart gegen Hertha BSC, bei dem mindestens 12 Polizeibeamte z.T. nicht unerheblich verletzt wurden. Mitte der Woche – nachdem sich die schwarzen Rauchschwaden über Frankfurt verzogen hatten – waren rund 100 verletzte Polizeibeamte zu beklagen.
Zwischendurch hier eine Pegida, dort eine Anti-Pegida, hier Salafisten, dort Hooligans dagegen, Rechte und Linke gegen alles Mögliche, aber immer gemeinsam gegen die Polizei und in der Regel für die eingesetzten Polizeibeamten mit viel, viel Aggression sowie physischer und psychischer Gewalt verbunden.
Über erneut zunehmende Gewalt in Stadien, über eine höhere Zahl von Verletzten, nicht nur unter Polizeibeamten berichtet der Jahresbericht der Landesinformationsstelle für Sport (LIS) für die Saison 2013/2014 sehr eindrücklich. Plus 5,2% mehr Gewalttaten gegenüber Polizeibeamten belegt darüber hinaus die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für das Jahr 2014. Wer will danach ernsthaft in Zweifel ziehen, dass Polizistinnen und Polizisten bei dieser Faktenlage ein echtes Problem haben, fragte der Gewerkschaftschef?
Trotz dieser unsäglichen Statistik und den ganz aktuellen Gewaltszenarien fällt der grün-roten Landesregierung nichts Besseres ein, als auf die Umsetzung der Koalitionsvereinbarung zu drängen und eine Nummerierung bzw. Kennzeichnung von Polizeibeamten bei geschlossenen Einsätzen einzuführen. Das ist eine Nummerierung von Opfern und nicht von Tätern, die sinniger Weise im Koalitionsvertrag unter der Überschrift „Gewalt gegen Polizeibeamte stoppen“ vereinbart wurde.
Wir wissen, dass Ihre Fraktion und die der FDP bezüglich einer Nummerierung von Polizisten eine andere Meinung vertreten. Wir danken Ihnen hierfür und bitten weiterhin um Ihre Unterstützung.
Kostenbeteiligung bei kommerziellen Großveranstaltungen
Bei bis zu 2.000 Einsatzkräften jedes Wochenende sollte die Politik auch über die Wiedereinführung einer Kostenbeteiligung bei kommerziellen Großveranstaltungen nachdenken, reklamierte Lautensack. Lautensack weiter: „Stellen Sie sich bitte einmal vor, wenn wir diese 1.000 bis 2.000 Beamten auch einmal sinnvoll, z.B. zur Bekämpfung der Wohnungseinbruchskriminalität einsetzen könnten. Über den wirtschaftlichen Bestand des DFB oder der DFL brauchen wir uns dabei wirklich keine großen Sorgen machen.“
Besoldungsstruktur vs. Zweigeteilte Laufbahn
Für die DPolG ist auch das offensichtlich: Nicht ganz so ernst nimmt die grün-rote Landesregierung eine andere Aussage ihres Koalitionsvertrags: „Wir realisieren die Zweigeteilte Laufbahn“. Nach zwei kostenneutralen Umwandlungstrancen in den Jahren 2013 und 2014 von gerade einmal 1% p.a. von Stellen des mittleren Dienstes (Endamt) in das Eingangsamt bzw. erste Beförderungsamt des gehobenen Dienstes ist schon Schluss damit. Jetzt sollen ein paar Stellenhebungen im mittleren Dienst nach A 9 bzw. A 9 + Z die absehbaren und von uns auch vorhergesagten Folgen einer falschen Besoldungsstrukturpolitik ausgleichen. Vermeintliche Strukturverbesserungen in der Laufbahngruppe des mittleren Dienstes haben allerdings mit der Zweigeteilten Laufbahn aber auch gar nichts zu tun. Dass die Zweigeteilte Laufbahn nur noch aus der Laufbahngruppe des gehobenen und höheren Dienstes besteht, scheint dieser Landesregierung völlig entfallen zu sein.
Wie auch immer liegt es mit der Beförderungs- und Besoldungsstruktur bei der Polizei (übrigens erst recht bei den Verwaltungsbeamten der Polizei) ganz erheblich im Argen und muss dringend und kompetent angegangen werden.
Lautensack wörtlich: „Ich erlaube mir an dieser Stelle aber auch anzumerken, dass besoldungsstrukturelle Zusagen aus den letzten Legislaturperioden von schwarz-gelb ebenfalls offengeblieben waren. Ich erinnere an programmatische Aussagen wie atmender Stellenplan oder volle Durchschlüsselung der Stellen des gehobenen Dienstes.“
Die Polizei hat erhebliche Struktur-, Belastungs- und Aufgabendefizite
„Strukturelle Defizite der Polizei wurden durch die Polizeireform nicht grundlegend oder gar nachhaltig korrigiert. Allenfalls wurden diese Defizite neu verteilt“ argumentierte der DPolG-Vorsitzende und sprach u.a. Kostenentwicklungen und Budgetkürzungen an.
Lautensack: „Was mir ganz besonders am Herzen liegt, ist die Stärkung und Entlastung polizeilicher Schicht-/Wechselschichtdienste durch:
- Echte Flexibilisierung der Arbeitszeit im Schichtdienst
- Rückführung auf 38,5 Wochenstunden im Wechselschichtdienst – wie im Tarif oder Zeitzuschläge für Nachtdienst-/Wochenend- oder Überstunden
- Sachgerechte Anpassung von Zulagen, wie z.B. ungekürzte WSD-Zulage aber auch andere finanzielle/soziale Ausgleiche, wie z.B.
- Die Anpassung der Erschwerniszulagen für Sonderkräfte
- Vorsorgekuren auch als Mutter/Vater-Kind-Kuren bei Alleinerziehenden
Freiwilliger Polizeidienst
Die DPolG steht für den Erhalt des Freiwilligen Polizeidienstes, aber nicht als Personalersatz, sondern als Ergänzung dazu. Es gibt Einsatzgebiete und Einsatzzeiten, wo diese Einrichtung auch heute noch sinnvoll wirken könne.
Rechtspolitische Themen
Am Schluss seiner Ausführungen, woran sich eine rege Diskussion mit den Abgeordneten anschloss, nannte der DPolG-Landesvorsitzende noch einige ausgewählte rechtspolitische Aspekte und Forderungen der Deutschen Polizeigewerkschaft:
- Neben dem Verzicht auf eine Kennzeichnungspflicht …..
- Einführung der Vorratsdatenspeicherung unter strengen gesetzlichen Voraussetzungen zur Verhinderung/Aufklärung schwerster Kriminalitätsformen
- Anerkennung der Atemalkoholanalyse als Ersatz für Blutentnahme zumindest im Bereich von Verkehrsdelikten