Bei der Landespolizei Baden-Württemberg ist der Bildungsnotstand längst erreicht. Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) fordert seit Jahren verlässliche Bildungsstrukturen und moderne Bildungseinrichtungen. Die Rahmenbedingungen sind aber immer noch mehr als schlecht. Erst vor wenigen Wochen hatte der DPolG-Landesvorsitzende Ralf Kusterer erneut auf die anhaltenden Missstände öffentlich hingewiesen und die politisch Verantwortlichen zum Handeln aufgefordert.
Kritik kommt von der Deutschen Polizeigewerkschaft an der weiter geplanten Vorgehensweise.
Nach Informationen der DPolG wurde im Oktober eine Task Force gebildet. Mit dabei sind Vertreter der Bauämter (Vermögen und Bau Baden-Württemberg), des Finanzministeriums, der Polizeiabteilung im Innenministerium und die Führung der Hochschule für Polizei. Die Gruppe bekam Auftrag, diverse Handlungsoptionen zu prüfen:
• Ausbaumöglichkeiten an der Hochschule für Polizei in Villingen-Schwenningen, um dort Kapazitäten für 1700 Polizeistudenten zu schaffen.
• Die Einrichtung zeitlich befristeter zusätzlicher Bildungsstandorte zu prüfen und dabei
• Insbesondere die landeseigenen Standorte Wertheim, Meßstetten und Mengen zu prüfen.
Wie der DPolG-Landesleitung nun bekannt wurde, liegen die Ergebnisse dieses Prüflaufs vor:
• Der Standort Villingen-Schwenningen ist demnach nur für einen Ausbau von maximal 1300 Studenten geeignet. Den weiteren Ausbau würde man aber vornehmen wollen. Hieraus ergibt sich zwangsläufig die Einrichtung einer Außenstelle für die Hochschule inklusive Personal und Räume für zusätzliche Dozenten, Professoren, Verwaltung usw.
• Eine Reaktivierung der mit der Polizeireform geschlossenen Bildungseinrichtung in Wertheim sei möglich. Dort müssen dafür ca. 150 Zimmer (Doppelzimmer) umgebaut und der Rest saniert werden.
• Der Standort Meßstetten sei ebenfalls ertüchtigungsfähig. Trotz vorhandener Baumängel (wie in Wertheim) könnte man für wenige Klassen einen früheren Bezug realisieren.
• Meßstetten kann als Ausbildungsstandort für die Ausbildung zum mittleren Dienst und die sogenannte Vorausbildung zum gehobenen Dienst verwendet werden.
Eine abschließende Entscheidung sei mit den Ergebnissen zwar noch nicht getroffen, aber die Vorlagen dazu, werden wohl auf dieser Basis erstellt. Noch unklar ist, wer und wann eine politische Entscheidung getroffen wird.
Dem Grunde nach bedarf es nach Auffassung der Deutschen Polizeigewerkschaft einer Kabinettsentscheidung.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft rechnet allein für die Schaffung von Übergangslösungen mit Summen in Höhe von mehreren Millionen Euro. Im Haushaltsvoranschlag des Landes für 2018 und 2019 sind dafür keinerlei Finanzmittel vorgesehen.
Außergewöhnlich hart und verärgert reagiert Ralf Kusterer, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, angesichts der weiteren Vorgehensweise: „Man kann verzweifelt nur den Kopf schütteln über das, was wir hier erleben. Da werden Millionen für zeitlich befristete Übergangslösungen ausgegeben, die noch nicht einmal ansatzweise einen ordentlichen Standard bieten. Ich frage mich, hat denn der Landesrechnungshof Scheuklappen auf und wann hört dieses Herumwuschteln auf? Wir sollten unsere Politiker in eine finanzielle Mithaftung bringen, vielleicht würde es dann besser.“
Kusterer vermisst eine dringend benötigte Bildungsstrategie. Offenbar erfolgen zwar Reaktionen auf geäußerte Kritik, aber ohne einen Gesamtplan zu verfolgen. Offene Fragen wirft Kusterer auf, vor allem zu den Punkten
• Warum Übergangslösungen in Höhe mehrerer Millionen, statt Schaffung dauerhafter Lösungen? Das Land hat kein Geld zu verschenken.
• Warum werden keine Lösungen angestrebt, die eine deutliche Standardverbesserung mit sich bringen? Die geplanten Ausbauten liegen weit unterhalb des heutigen Niveaus von Bildungseinrichtungen.
• Warum wurden nur Wertheim, Meßstetten und Mengen (Hohentengen) geprüft? Beispielsweise soll in Ellwangen ein Schulungszentrum der Bundeswehr leer stehen. Warum hat man keine weiteren Standorte im nördlichen Baden-Württemberg geprüft?
• Mit wie viel Mut hat man den Standort Villingen-Schwenningen geprüft? Wurden die Kosten für Außenstellen und Interimslösungen einer Realisierung an einem vorhandenen Hochschulstandort gegengeprüft?
• Warum finden sich keinerlei Ansätze, um die vom damaligen Innenminister Gall zerschlagene Bereitschaftspolizei zumindest hinsichtlich der Liegenschaften wieder zusammenzuführen. Eventuell könnten dadurch freie Kapazitäten für den Bildungsbereich geschaffen werden.
Nach Ansicht Kusterers würden keine weiteren und teuren Interimslösungen benötigt. Den sicher stark betroffenen und zurecht für sich kämpfenden Standorte wie Meßstetten, Wertheim und Mengen würde eine wenige Jahre dauernde Übergangslösung dauerhaft nichts bringen. Auch sie müssten in erster Linie ein Interesse an einer zukunftsfähigen und nachhaltigen Lösung von Dauer haben. Eine solche Lösung ist aber weder für Wertheim noch für Meßstetten angedacht.
Die vormalige grün-rote Landesregierung hat mit Ihren Polizeireform funktionierende und erfolgreiche Bildungseinrichtungen zerschlagen. Insbesondere das Herausbrechen der Polizeischulen aus den im ganzen Land optimal verteilten Einsatzstandorten (Göppingen, Biberach, Lahr, Bruchsal und Böblingen) war ein Kardinalsfehler. Man würde gut daran tun, die Polizeischule in Bruchsal ausbauzubauen und lediglich temporär Einsatzeinheiten in die Nähe zu verlagern. Gleiches gilt auch für Göppingen. Dort gibt es gute Voraussetzungen für einen Bildungsteil. Auch wenn dort aktuell alles auf „Einsatz“ ausgerichtete ist, wie es eben der politische Wille der damaligen grün-roten Landesregierung war. Dazu Kusterer: „Wenn man erkennt, dass Fehler gemacht wurden – und die Fehler der damaligen Landesregierung liegen heute deutlich auf der Hand – warum korrigiert man das nicht zumindest wieder so, wie man es mit großem Erfolg schon mal hatte?
Nach Auffassung des DPolG-Landesvorsitzenden gehört zunächst eine Bildungsstrategie für die Polizei erstellt und in diesem Zusammenhang auch eine vernünftige Verteilung von Bildungseinrichtungen auf die Fläche Baden-Württembergs geprüft. Kusterer sieht die große Gefahr, dass die aktuellen Planungen nicht dazu führen werden, dass man die politisch geplanten Einstellungszahlen und eine qualifizierte Fortbildung der im Dienst befindlichen PolizistInnen realisieren kann. „Angesichts der in diesem Zusammenhang gezeigten Unprofessionalität und Parteigeschachere muss man sich schon fragen, ob es nicht besser wäre die gesteigerten Einstellungsplanungen zeitlich zu verzögern“, zieht Kusterer Bilanz.