Argumente der DPolG gegen die Einführung einer Kennzeichnungspflicht

Kernfragen:

  • Wo liegt das Problem? 
  • Gewalt von Polizisten oder Gewalt gegen Polizisten?
  • Wo gibt es welche ernsthaften Defizite?
  • Wer hat wen im Blick?
  • Täglicher Dienst ist etwas anderes als Einsatz geschlossener Einheiten!
  • Generalverdacht und Misstrauensvotum gegen Polizeibeamte?
  • Staats- und Amtshaftung sichern Bürger gegen Schäden und Nachteilen!
  • „Reversibilität“!?

 

Argumente der DPolG:

  • Die DPolG ist rundweg gegen eine individuelle Kennzeichnungspflicht von Polizeibeamten, auch in anonymisierter Form.
  • Wir sehen eine Gefahr für unsere Kolleginnen und Kollegen (Repressalien ge-gen Polizeibeamte und Familienangehörige). Es geht vor allem auch um Per-sönlichkeitsrechte und um Datenschutz. Gerade diese Grundrechte werden beim „polizeilichen Gegenüber“, bei Demonstrations- oder Veranstaltungsteil-nehmern sehr, sehr hoch angesetzt. Bei Polizeibeamten sollen sie nahezu suspendiert werden.
  • Persönlichkeitsschutz und Datenschutz wird bei Amtsträgern ganz weit hinten angestellt und z.B. einem vermeintlichen besonderen “Vertrauensschutz-bedürfnis“ der Bürgerinnen und Bürger nachgestellt.
  • Wir sind im täglichen Dienst und in Einsatzlagen erkennbar! Bei uns steht gut sichtbar „Polizei“ drauf. Wir handeln damit für den Staat. Und dieser Staat haftet zunächst auch für alle Schäden.
  • Der Polizeibeamte handelt und steht „für den Staat“, für den Rechtsstaat. Fügt der Polizeibeamte jemandem einen vermeidbaren oder rechtswidrigen Scha-den zu, dann haftet zunächst der Staat für diese Handlung. Dafür gibt es die sogenannte Staats- oder Amtshaftung. Unabhängig von den folgenden Fragen der individuellen Verantwortung oder der nachträglichen Regressnahme des Staates gegen den Beamten. Im Übrigen überprüfen die Verwaltungsgerichte polizeiliche Maßnahmen auf Beschwerde von Betroffenen.
  • Bei individuellen Fehlverhaltensweisen einzelner Polizeibeamter (auch das kann in der Tat vorkommen und wird auch in der Zukunft nicht auszuschließen sein), war es bislang in jedem uns bekannten Fall möglich (Bsp. 30.09.2010, Stuttgart 21) jeden handelnden Polizeibeamten auch ohne individuelle Kennzeichnung zu identifizieren. Wichtig: Erst Fehlverhalten, dann Identifizierung! Und bitte nicht anders herum: Nummer oder Name dokumentieren und diesen dann ein Fehlverhalten vorwerfen oder erst nach Fehlverhalten zielgerichtet suchen!
  • Außerhalb der Polizei kann sich kaum ein Mensch vorstellen, was es bedeutet, in sogenannten Tumultlagen eingesetzt zu sein. Manchmal tagelang und ohne ausreichende Ruhepausen. Gestern Castortransporte, heute Fußballeinsatz, morgen Rechts-Links-Demo, Einsätze gegen Rocker, gegen Salafisten oder Einsätze aufgrund kriegerischer Auseinandersetzungen im Nahen Osten. Von uns wird immer absolute Neutralität, Sachlichkeit und Correctness gefordert. Wir sitzen immer zwischen den Stühlen, die nicht die unsrigen sind. Wir werden von allen Seiten angespuckt und diffamiert, unsere Professionalität wird oftmals angezweifelt. Unsere Einsatzkräfte werden meist in A 7 und A 8 bezahlt und sind keine Juristen, Diplompsychologen oder Politologen. Wir müssen spontan über Zwangsmaßnahmen, deren Zulässigkeit oder Verhältnismäßigkeit entscheiden. Juristen oder Untersuchungsausschüsse „brüten“ im Nachhinein mitunter Jahre darüber.
  • Wir befürchten, dass einzelne Kolleginnen und Kollegen (die z.B. konsequent oder auch zögerlich einschreiten) kollektiv angegangen, provoziert, beleidigt, lächerlich gemacht werden, um sie zu „Überreaktionen“ zu verleiten, was dann mittels moderner „Smartphone-Technik“ der „ganzen Welt“ (Bsp.: Youtube) mitgeteilt wird.
  • Daraus kann resultieren: ein erhöhtes Beschwerdeaufkommen, eine erhöhtes Anzeigeaufkommen gegen Polizeibeamte, vermehrte strafrechtliche und disziplinarrechtliche Ermittlungen mit ganz gravierenden individuellen Konsequenzen (auch wenn sich die Rechtmäßigkeit der Amtshandlung irgendwann herausstellt) u.a.m.
  • Ablesefehler oder Verwechslungen führen zu falschen Verdächtigungen.
  • Mögliche Folgen einer Strafanzeige = Diszi = keine Personalmaßnahmen.
  • Bei der Polizei werden „Individualrechte“ in vielfältiger Weise suspendiert. Bspw. sind Kollektivbeleidigungen meist nicht strafbar oder Schmerzensgeldansprüche werden bei Polizeibeamten mit dem Strafurteil abgegolten (Uniform wird beleidigt, nicht der Mensch darin!?). „Gesetzesverstöße“ werden generell deutlich stärker bestraft (Amtsdelikte). Doppelbestrafung danach per Diszi zusätzlich möglich. Über die vielfältigen Besonderheiten des Polizeiberufs gerade bei geschlossenen Einheiten will ich an dieser Stelle überhaupt nicht reden.
  • Gerade bei geschlossenen Einsätzen handeln die eingesetzten Beamten aufgrund eines konkreten Einsatzauftrags („Befehl“). D.h., ein Einsatzbeamter kann faktisch z.B. bei einem Räumauftrag nicht sagen: „Das mache ich nicht mit, ich gehe lieber nach Hause.“ Bei geschlossenen Einsätzen ist – bei selbstverständlicher individueller Verantwortlichkeit eines jeden einzelnen – der Polizeiführer für den Einsatz und für die angeordneten Maßnahmen zuständig. Dieser ist immer bekannt oder persönlich leicht zu identifizieren.
  • Die psychologische Wirkung auf die Motivation der eingesetzten Polizeibeamten könnte erhebliche Auswirkungen haben, Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit des Staates und seiner Polizei. Wenn jeder Polizeibeamte, sein persönliches Verhalten, ganz individuell, nur auf „Beschwerdevermeidung“ ausrichtet, können Großeinsätze nur noch schwer bewältigt werden. Dies betrifft keinesfalls nur „Stuttgart 21“, das betrifft jede „Rechts-Links-Demo“, jeden „Castor-Transport“, die „regelmäßigen Maikrawalle“ in Berlin, das „Schanzenfest“ in Hamburg, jeden Fußballeinsatz, oder, oder, oder.
  • Die Einigungsstelle bei dem Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur (Rheinland-Pfalz) hat in ihrer Sitzung vom 18. Juli 2013 … (mehrheitlich) folgenden Beschluss gefasst: 
    … Die beabsichtigte Einführung von individuellen Kennzeichnungen für Einsatzkräfte geschlossener Einheiten sowie mobiler Eingreifgruppen der Polizeipräsidien geht, … allein auf eine Formulierung in dem zwischen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN geschlossenen Koalitionsvertrag zurück … 
    … In Anbetracht fehlender sachlicher Gründe für die in Rede stehende Änderung … bereits bestehender, funktionierender individueller Zuordnungsmöglichkeiten im Beschwerdefall, ist die Einigungsstelle … der Auffassung, dass es für die Umsetzung allein aufgrund der Vereinbarung im Koalitionsvertrag keine Rechtfertigung gibt und daher auf die Änderung verzichtet werden sollte.
  • Die Planungen der Landesregierung betrachten wir insofern als einen kollektiven Misstrauensbeweis, gerade in Zeiten, wo man uns „rund um Stuttgart 21“ jeden Tag in den Einsatz schickt, aber eigentlich nicht hinter der Sache und damit hinter der Polizei steht. GRÜNE-Politik hin oder ROTE-Politik her!
  • Über das Ansehen und die Wertschätzung der Polizei in der breiten Öffentlichkeit braucht sich die Politik wirklich keine Sorgen zu machen. In allen, in absolut allen Meinungsumfragen nimmt die Polizei in den Rankings einen der obersten Plätze ein. So genießt die Polizei in einer forsa-Umfrage aus 2013 zu 83% Anerkennung und Vertrauen. Diese Aussage wäre aber nichts wert, würde ich nicht sagen, dass lediglich Feuerwehrleute, Kranken- und Altenpfleger, Ärzte und Kindergartenmitarbeiter bessere Zustimmungswerte aufweisen. Dass bei dieser Umfrage Politiker mit gerade einmal 21% Anerkennungswert nur noch knapp besser bewertet werden als Mitarbeiter von Telefongesellschaften und Werbeagenturen sowie Versicherungsvertretern, verkneife ich mir an dieser Stelle.
  • Wir sind stolz auf unsere bürgernahe Polizei. Die Polizei ist Recht und Gesetz verpflichtet. Nicht nur wegen unseres Amtseides, sondern aus Überzeugung. Wir haben nichts zu verbergen oder zu vertuschen. Als Polizeigewerkschaft haben wir aber die individuellen Interessen und Rechte unserer Kolleginnen und Kollegen gegen Missbrauch zu schützen. Und dafür setzen wir uns ein. Und nur dafür! Aber dafür mit allen unseren Möglichkeiten!