Pressemeldung vom 16.11.2017


Deutsche Polizeigewerkschaft wiederspricht aktuellen Medienberichten zur Personalstärke der Polizei.
Dem Personal der Landespolizei fehlt die Luft zum Atmen.

Der SWR und weitere Medien berichteten am Mittwoch, den 15. November 2017, dass die Zahl der Polizisten in Deutschlang auf einen Höchststand sei. Dieser Darstellung widerspricht der Landesvorsitzende und zugleich auch stellvertretende Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Ralf Kusterer, vehement. Die Berichte seien falsch und dazu geeignet, den Bürgerinnen und Bürgern ein völlig falsches Bild über den Zustand der Polizei in Baden-Württemberg und in Deutschland zu vermitteln.

Die Empörung unter der den Polizistinnen und Polizisten über die falsche Berichterstattung am gestrigen Tage ist enorm. Die Deutsche Polizeigewerkschaft erhielt Protestanrufe aus dem ganzen Land. Kusterer weist auch darauf hin, dass die alleinigen Zahlen über Haushaltsstellen überhaupt nichts aussagen. Es komme schließlich auch nicht darauf an, was an Gewicht auf einer Lebensmittelverpackung stehe, sondern wie viel tatsächlich beim Essen auf den Tellern liege. Etwas weniger Essen mag manchmal zu verkraften sein – ständig zu wenig Innere Sicherheit ist definitiv schädlich.

Tatsache ist, dass der Kahlschlag bei der Polizei noch lange nicht beendet und nicht einmal annähernd die tatsächliche frühere Anzahl an Polizisten in Deutschland erreicht wurde. Baden-Württembergs Polizei befindet sich aktuell auf einem personellen historischen Tiefstand. Noch nie waren so wenig ausgebildete Polizeibeamte auf unseren Straßen. Mehrere Landesregierungen haben in den Vorjahren erheblichen Personalabbau vollzogen. Eine verfehlte Einstellungspolitik der grün-roten Vorgängerregierung habe die Landespolizei gar an den Rand der Funktionsfähigkeit geführt. Unterbesetzte Polizeireviere. Aufrechterhaltung der Dienststärken sei mancherorts nur möglich durch zusätzliche Sonderschichten. Manche Reviere stehen aufgrund fehlenden Personals kurz davor nachts geschlossen zu werden.

Die aktuelle Landesregierung in Baden-Württemberg wirkt mit der Einstellung von zusätzlich 900 Polizeiauszubildenden und 600 Tarifbeschäftigten entgegen. Bis aber die 900 Polizisten ausgebildet sind, von denen noch keiner eingestellt wurde, vergehen weitere 2,5 bis 4 Jahre. Trotz diesem längst überfälligen Schritt in die richtige Richtung, steht Baden-Württemberg bei der Polizeidichte der Länder nach wie vor auf dem letzten oder vorletzten Platz. Um Baden-Württemberg im Ländervergleich einige Plätze nach vorne zu bringen, fehlen mindestens 2000 zusätzliche Polizeibeamte. Sofern die Politik überhaupt bereit wären, diese zu schaffen, dauert dieses Aufholen noch weitere Jahre.

Ohne etwa 500 freiwilligen Lebensarbeitszeitverlängerungen stünde die Landespolizei längst vor dem Kollaps. Hohe Krankheitsquoten sind ein deutliches Zeichen. Manche Polizeipräsidien beklagen Krankheitsstände von täglich 10% und mehr. Der Stress durch die Unterbesetzung steigt. In Baden-Württemberg häufen sich Anzeigen wegen Strafvereitelung im Amt, weil viele Polizeibeamte aufgrund totaler Überlastung Anzeigen nicht zeitgerecht abarbeiten können. „Wir haben keine Luft mehr zum Atmen“, so Kusterer.

Auch zur Frage der Ausgaben für die Ausrüstung der Polizisten äußerte Kusterer sich skeptisch: “Für das gleiche Geld mit dem man früher vier Brötchen gekauft hat bekommt man heute oft nur noch zwei Brötchen.“ Die Ausrüstung der Polizei in den Ländern ist meilenweit von einem annehmbaren Zustand entfernt. In vielen technischen Bereichen hinken Polizisten der Kriminalitätsentwicklung und den Verbrechern hinterher. Bildhaft gesprochen rücken sie mit der Kreidetafel gegen die Cyberkriminalität vor. Die Polizei benötigt in ganz Deutschland eine deutliche Verbesserung der Ausrüstung. In vielen Bereichen verfügen noch nicht einmal alle Polizeibeamte der Einsatzeinheiten über einen persönlich zugeteilten Helm, eine Schutzweste oder eine Körperschutzausstattung. Viele Kolleginnen und Kollegen übernehmen die verschwitzten Teile der Kollegen, um diese im laufenden Einsatz ablösen zu können.  

Bei der gestrigen Berichterstattung wurde überdies der große Fehler gemacht, die Personalstärke in Kontext mit den aktuell in Berlin laufenden Sondierungsgespräche zu stellen. Wenn Parteispitzen in Berlin die notwendige Entscheidung treffen, mehr Polizei einzustellen – und nach Forderungen der Deutschen Polizeigewerkschaft reichen da mehrere Tausend nicht – dann kommt davon kein einziger Polizeibeamte mehr in Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz an. Lediglich die Bundespolizei oder das Bundeskriminalamt erhalten dann den wichtigen Polizeinachwuchs. Polizei ist Ländersache. Nur wenn in Baden-Württemberg Polizeibeamte eingestellt werden, können die Bürgerinnen und Bürger auch tatsächlich darauf hoffen, dass in ihrem persönlichen Bereich mehr Polizei ankommt.